Pforzheimer Wandernagelkreuz auf Versöhnungsweg

Beeindruckende Nagelkreuz-Prozession von der Stadt- zur Christuskirche nach Brötzingen

Das Nagelkreuz, Symbol für Frieden, Versöhnung und Bewahrung der Schöfung, ist amSonntag, dem 21. Februar, zwei Tage vor dem Pforzheimer Gedenktag, in einem beeindruckenden Erinnerungsweg vieler Bürgerinnen und Bürger von der Stadt- in die Christuskirche gebracht worden.

Bereits vor fünf Jahren, zum 60. Jahrestag der Zerstörung Pforzheims, erhielt die evangelische Stadtkirchengemeinde das ökumenische Nagelkreuz aus Coventry(Mittelengland), das im November 1940 samt seiner mittelalterlichen Kathedrale von deutschen Bombergeschwadern zerstört worden war. Zum 65. Jahrestag kam nun ein "Zwilling" des Nagelkreuzes nach Pforzheim, das als so genanntes Wandernagelkreuz jeweils für ein Jahr unter der Obhut einer gastgebenden Einrichtung innerhalb Pforzheims verweilen wird. Es soll so an verschiedenen Orten Versöhnung stiften und zu zukunftsorienterten, Frieden schaffenden Aufgaben anregen. Wie aus dem Nagelkreuzzentrum, zu dem auch die Kirchengemeinde Huchenfeld gehört, die bereits 1992 für die beispielhafte Aufarbeitung der Ermordung von fünf britischen Fliegern das erste Nagelkreuz erhielt, verlautet, hat bereits jetzt eine katholische Seelsorgeeinheit Pforzheimer Randgemeinden um die Übernahme des Wandernagelkreuzes für 2011 nachgefragt und auch aus der brandenburgischen Stadt Senftenberg, einer der drei Partnergemeinden der Stadtkirche, wird heftiges Interesse signalisiert.

Im morgendlichen Festgottesdienst, musikalisch gestaltet vom Motettenchor Pforzheim mit Bachs "Jesu meine Freude" und Hammerschmidts kleinem geistlichen Konzert "Bist du Gottes Sohn", wurde das Wandernagelkreuz dem Nagelkeuzzentrum Pforzheim von Pfarrer in Ruhe Hartmut Ebmeier, dem Vorsitzenden der Nagelkreuzgemeinschften in Deutschland, zugeeignet.

 

 Das Wandernagelkreuz zieht mit Dekan Hendrik Stössel und Pfarrer Hartmut Ebmeier ein

Die Große Versöhnungskerze wird gegen das neue Wandernagelkreuz ausgetauscht

Der Versöhnungsweg am Nachmittag begann mit der Aussendung des Wandernagelkreuzes vor dem Portal der Pforzheimer Stadtkirche, deren Türgriff als im Entsetzen erstarrte Faru Lot gestaltet ist. Nur im wörtlichen Begreifen, hatte vor über vierzig Jahren der Künstler Ulrich Henn definiert, könne die Erstarrung gelöst und die Tür geöffnet werden zu neuem Fühlen, Denken und Tun. Roland Ganninger vom Nagelkreuzzentrum Pforzheim übergab das Versöhnungssymbol an Pfarrerin Martina Walter als Vertreterin der Weststadtgemeinden mit dem Segen des Nagelkreuzes: "Wo Menschen ihre Stärken miteinander teilen und ihre Schwächen gemeinsam tragen, da ist Gott mitten unter ihnen. So soll es sein für euch. Gott segne euch und ihr sollt ein Segen sein".

Pfarrerin Walter führte zusammen mit Roland Ganninger die Schar von zunächst gut fünfzig Bürgerinnen und Bürgern an, die von Station zu Station zahlreicher wurde und am Ende mehr als hundert zählte. Der Weg führte, vorbei am Congress Centrum, über die von der Polizei gesicherte Zerrennerstraße zum südlichen Marktplatz, dem "Platz des 23. Februar". Hier wurde die Prozession mit dem Rathaus-Glockenspiel bei strahlendem Sonnenschein empfangen. Mitglieder der Jugendkantorei Pforzheim, die im Mai 2008 mit dem Nagelkreuzzentrum in Coventry zu Gast waren, trugen Plakate, die die Grundgedanken der Nagelkreuzgemeinschaft aufnahmen. "Es ist hervorragend, dass sich so viele junge Menschen eingefunden haben", freute sich Rolf Constantin, ehrenamtlicher Stellvertreter des Oberbürgermeisters, der am Festgottesdienst teilgenommen hatte. Menschen, die nicht ausreichend gut zu Fuß waren, konnten von hier aus einen Begleitbus nutzen, der jede der nachfolgenden Stationen anfuhr, so das Theodor-Heuss-Gymnasium, wo Schülerinnen der elften Klasse Teile der Ausstellung "Menschen im Krieg" aufgebaut hatten, die sie zum vergangenen 23. Februar zusammen mit dem Ngelkreuzzentrum im Rathaus präsentiert hatten. Sie lasen die Versöhnungslitanei in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache.

Die Jugendkantorei bezog sich mit ihren Plakaten auf ihre Versöhnungsfahrt nach Coventry im Mai 2008

Im Hof der Hauptfeuerwache an der Habermehlstraße erwarteten Feuerwehrkameraden mit Pfarrer Hans Gölz-Eisinger die Versöhnungsgänger mit Kurzberichten über Katastropheneinsätze, stillem Innehalten und der Versöhnungslitanei.

Unter dem Thema "Bergen und Behüten" stand die Station im Hof der Hauptfeuerwache, wo neben Feuerwehrleuten und Stadtkirchenpfarrer Hans Gölz-Eisinger auch Pfarrer Jörg Geißler von der Nagelkreuzgruppe Huchenfeld mitwirkte.

Als vorletzte Station fungierte die katholische St. Antoniuskirche. Hier wurde die Gemeinschaft von Pfarrer Johannes Mette in eine ökumenische Versöhnungsandacht eingebunden und im Weiteren auch vom katholischen Dekan Bernhard Ihle begleitet, der seinem evangelischen Amtsbruder Dr. Hendrik Stössel auf dem letzten Stück des Weges zur Christuskirche in Brötzingen Gesellschaft leistete. Glockenläuten, Bläsermusik und heißer Tee empfing die Prozession, bevor sie mit dem Kreuz in die Christuskirche einzog, um gemeinsam mit dem Jugendchor den Empfangsgottesdienst zu feiern.

Den Empfangsgottesdienst in der Brötzinger Christuskirche gestaltete neben dem Posaunenchor der Jugendchor der Weststadt.

"Das ist ein guter, ein großer Tag für Pforzheim", hatte Roland Ganninger schon am Vormittag im Gottesdienst gesagt. Über den Schmerz und das Trauma der Zerstörung hinaus würden vor allem für die nachwachsenden Generationen, die keinen Bezug mehr haben zu den schrecklichen Geschehen von vor über sechs Jahrzehnten, zukunftsorientierte Wege aufgezeigt unter dem Leitwort des Tages "Vergangenheit bewältigen - Zukunft gestalten". Beides sei notwendig, um Frieden stiftende Aufgaben anzuregen, nicht nur an den Orten des Wandernagelkreuzes, sondern überall.

Ein Jahr lang wird das Wandernagelkreuz des Nagelkreuzzentrums Pforzheim von der Christuskirche aus in Schulen, Kindergärten, Heimen, Krankenhäusern, Gebetskreisen und sozialen Einrichtungen seinen Frieden stiftenden Dienst tun.

"Das grüne Pflänzchen des Friedens, das auf der Erde gedeiht, auf denen einst Ruinen standen, muss gehegt und gepflegt werden", betonte ein Teilnehmer der ungewöhnlichen Prozession, der sich wünscht, dass ihm noch viele Bürger die Hand reichen werden. Eine Hand, die keine aufgereckte Faust sei. Eine, die den Frieden suche, nicht den Kampf.

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