Nagelkreuz für Llanbedr in Wales
Am 19. Juni 2011 wurde unsere Partnergemeinde Llanbedr in einem Gottesdienst in den Kreis der Internationalen Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen. Es war ein bewegender Augenblick, dem viele Menschen aus der Anglikanischen Gemeinde St Peters in Llanbedr, sowie Verantwortliche aus der kommunalen und überregionalen Politik in Wales beiwohnten.
Den Gottesdienst gestalteten Stephanie Beacon, die Ortspfarrerin, der leitende Domherr für Versöhnung David Porter aus Coventry und Pfarrer Jörg Geißler aus Huchenfeld. Die Predigt hielt Dr. Paul Oestreicher. Er hatte früher die Position von David Porter inne und überbrachte im Jahr 1992 der Gemeinde Huchenfeld das Nagelkreuz. Weitere Beteiligte waren der Kinderchor der Grundschule Llanbedr, der Kirchenchor von St Peters, sowie die Lektoren Tony Beacon, pensionierter Regionaldekan und Ehemann von Stephanie Beacon, und Evie Morgan Jones, der eine prägende Rolle in der Regionalpolitik hat und Mitglied einer der örtlichen Freikirchen ist.
Die Übergabe des Nagelkreuzes an die kleine Gemeinde in Llanbedr hat besonders dadurch überregionales Interesse hervorgerufen, dass es die erste und bisher einzige Gemeinde in Wales ist, die ein Nagelkreuz erhalten hat. So waren nicht nur die lokale Presse sondern auch BBC Wales mit einem Kamerateam sowie ein Team von Radioreportern vor Ort.
Warum dieser kleinen Gemeinde an der Nordwestküste von Wales ein Nagelkreuz verliehen wurde, machte der rund 1 ½-stündige Gottesdienst an vielen Stellen deutlich, insbesondere aber die Predigt von Dr. Paul Oestreicher. Er erinnerte daran, dass Versöhnung immer mit vielen Widerständen zu rechnen hat, weil Menschen nicht mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert werden wollen. Aber genau diese Konfrontation ist der notwendige Schritt, um das Gefängnis der Emotionen verlassen zu können, sich in den anderen hineinversetzen, dessen und die eigenen Emotionen und Handlungen verstehen zu können und so die Herzen füreinander zu öffnen. Dies kann man nicht erzwingen. Es bleibt ein Geschenk Gottes, wo es geschieht. Aber es geht auch nicht ohne Menschen, die sich mit allem Mitgefühl und aller Leidenschaft dafür einsetzen. An solchen Menschen lässt sich zeigen, dass einzelne, auch wenn sie zunächst wie einsame Rufer in der Wüste scheinen, etwas bewirken können.
Als Beispiele dafür benannte Oestreicher Curt Heinemann-Grüder und John Wynne. Dazu zeichnete er die Lebensgeschichte von Pfarrer Heinemann-Grüder in kurzen Zügen nach. Aufgrund seines Engagements für Gerechtigkeit war er schon in der damaligen DDR nicht wohl gelitten. Als er dort schließlich keine Möglichkeiten des Engagements mehr erkennen konnte, lebte er nach einer weiteren kurzen Zeit als Pfarrer in Niefern, nach seiner Pensionierung in Huchenfeld. Hier stieß er erneut auf einen Fall, der seinen Sinn für Gerechtigkeit nicht in Ruhe ließ – die Ermordung von fünf britischen Luftwaffenangehörigen entgegen den Regeln des Genfer Kriegsvölkerrechtes. Gegen den Widerstand von vielen in Huchenfeld und in Pforzheim erreichte Curt Heinemann-Grüder – mit Unterstützung des Ältestenkreises der Evang. Gemeinde in Huchenfeld – dass eine Gedenktafel für diese fünf Männer an der Kirche angebracht wurde. Dies wurde zum Ausgangspunkt der Versöhnungsgeschichte, deren Frucht wir an diesem Tag feierten.
In diesem Zusammenhang berichtete Paul Oestreicher über sein Erlebnis beim Abendmahl in Huchenfeld am Buß- und Bettag 1992, bei dem einer der Teilnehmer am Abendmahl weinend vor ihm stand. Auf Nachfrage ließ er erkennen, dass er damals 1945 auf Befehl an der Ermordung der fünf Briten beteiligt und nun gekommen war, um Vergebung für seine Schuld zu suchen.
Paul Oestreicher warnte davor, dies alles nur für Probleme der Vergangenheit zu halten. Denn viele von uns hätten auch heute nicht den Mut, Befehlen zu widersprechen, oder den Mund aufzumachen für Frieden, Gerechtigkeit oder Versöhnung, wenn alle anderen nichts davon hören wollten.
In diesem Sinn würdigte er den Beitrag von John Wynne, der den Faden aufnahm, der durch die Bitte um Versöhnung von Huchenfeld aus angelegt worden war. Angefangen von dem Geschenk des Schaukelpferdes „Hoffnung“ für den Kindergarten der Evang. Gemeinde in Huchenfeld, über die Initiative für den Schüleraustausch zwischen Llanbedr und Huchenfeld, den er tatkräftig unterstützte, die jährliche Gabe eines Gebindes am 23. Februar als Gedenken an die Toten Pforzheims und vieles mehr, bis hin zur Begleitung des Freundschaftsvertrages, der im Februar 2008 unterschrieben wurde. Auch John Wynne ist ein Beispiel dafür, was ein Einzelner, angesteckt vom Geist der Liebe und Versöhnung Christi, durch sein Engagement erreichen kann.
Im Anschluss daran führte Canon David Porter die Übergabe des Nagelkreuzes durch, verbunden mit einem Gelöbnis der Gemeinde, sich für die Ziele der Nagelkreuzgemeinschaft einzusetzen: die Wunden der Geschichte zu heilen, mit Unterschieden leben zu lernen und die Vielfältigkeit des Lebens zu feiern sowie daran mitzuarbeiten, eine Kultur des Friedens zu bauen.
DAS NAGELKREUZ erhielt Huchenfelds Partnergemeinde Llanbedr. Bei der Übergabe Stephanie Beacon, Jörg Geißler, Canon David Porter und Paul Oestreicher.
Schon im Gottesdienst kam diese Vielfältigkeit zum Ausdruck, indem Teile der Liturgie in Englisch, Walisisch und Deutsch gehalten waren. Abgerundet wurde dies durch Gesänge in eben diesen drei Sprachen. Darunter die bei uns bekannten Kirchenlieder „Lobet den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und das „Nun danket alle Gott“.
Als Aufgabe der Zukunft wurde auf die gemeinsame Unterstützung der Gemeinde in Butembo am Viktoria-See in Tansania verwiesen. Dazu hatte Pfarrer Geißler eine Spende für die Fortsetzung der Ausbildung einer Krankenschwester und die Ausstattung der örtlichen Krankenstation in Höhe von € 1.350,- mitgebracht. Dieser Betrag kam zusammen aus einer Kollekte beim alljährlichen Versöhnungsgottesdienst im vergangenen März, zwei größeren Einzelspenden und aus einem ersten Teil des Konfirmandendankopfers, das von den in diesem Jahr in Huchenfeld Konfirmierten gespendet wurde. Den Anteil des Konfirmandendankopfers, der im Lauf der kommenden Wochen noch eintrifft, wird im Herbst der Männerchor aus Llanbedr entgegennehmen, um ihn an die Kirchengemeinde in Llanbedr weiterzuleiten. Der Côr Meibion Ardudwy gastiert vom 27.-30.10. in Huchenfeld. Für Samstag, den 29.10., ist abends ein Konzert in der Hochfeldhalle in Huchenfeld geplant, zusammen mit dem Harmonikaspielring Huchenfeld-Würm und dem ChoRegio, dem Chor der Evangelischen Gemeinde.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen, zu dem John Wynne in das Restaurant auf Shell-Island eingeladen hatte, wurde der Tag mit einem Abendmahlsgottesdienst in der malerischen und über 1.500 Jahre alten Dünenkirche Llandanwg beschlossen. Während die Taufe der Urgrund für die Versöhnung mit Gott sei, das erste Sakrament der Versöhnung also, so stellte Pfarrer Geißler es in seiner Predigt dar, sei das Abendmahl das zweite Sakrament der Versöhnung: Auf dem Weg durch das Leben, das eigene wie das gesellschaftliche, ermutige es immer von neuem, den Dienst der Versöhnung, mit dem Christen durch ihre Taufe beauftragt sind, mutig anzunehmen und gegen alle Ohnmachtserfahrungen durchzuhalten.
Mit dem Abendmahl, das von Dr. Paul Oestreicher, Pfarrer Jörg Geißler und der ehrenamtlichen Kirchenhelferin von Llandanwg ausgeteilt wurde, endete der offizielle Teil dieses bedeutenden Tages – bedeutend für Llanbedr wie auch für die weitere gemeinsame Zusammenarbeit mit Huchenfeld im Kreis der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft.
Für die Delegation aus Huchenfeld, der neben Pfarrer Geißler auch die ehemalige Rektorin der GHS Huchenfeld, Frau Gabriele Napiwotzki, als Vertreterin des Partnerschaftskomitees Huchenfeld-Llanbedr und die Kirchenälteste Frau Petra Alexy angehörte, die in Zukunft die Kontakte der beiden Kirchengemeinden koordinieren wird, ging damit ein ereignisreiches Wochenende zu Ende, das darüber hinaus ganz im Zeichen der Kontaktpflege stand. Unter anderem wurde die Zukunft des Schüleraustausches erörtert sowie der Besuch des Männerchores aus Llanbedr vorbereitet.