23. Februar 2013
Farbenfrohe Friedensbotschaft
Riesiges Puzzle setzt ein eindrucksvolles Zeichen
Für eine friedliche, tolerante, vielfältige und bunte Stadt Pforzheim warb Oberbürgermeister Gert Hager angesichts des gerade entstehenden Riesenpuzzles zur Eröffnung. Insgesamt über 400 Puzzleteile umfasst nun das im Jahr 2011 begonnene eindrucksvolle Gesamtkunstwerk, das eine Woche lang auf dem Marktplatz zu bestaunen war.
Trotz klirrender Kälte verfolgten viele Bürger das Auslegen der Puzzlteile durch Erwachsene und Jugendliche, die es sich nicht nehmen ließen, ihre Arbeiten selbst anzufügen. Auch die Konfirmanden der Evang. Stadtkirche beteiligten sich zum dritten Mal mit sechzehn Puzzletafeln, auf denen sie die Aussagen der Versöhungslitanei von Coventry optisch umzusetzen versuchten.
Eine szenische Lesung von Kepler-Gymnasiasten beinhaltete Augenzeugenberichte jenes Abends des 23. Februar 1945, als die Alliierten die Stadt zerstörten, beleuchteten aber auch das Schicksal der Juden in Pforzheim. Heute lebten hier Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. "In meiner Klasse gibt es sieben verschiedene Nationen. Das ist doch ganz normal und gut so."
Das "Pforzheimer Puzzleprojekt", das im Mai auch auf der Openair Bühne am Fischmarkt im Rahmen des Hamburger Kirchentags vorgestellt werden wird, soll laut Hager verstärkt die jüngere Generation in den Gedenktag einbinden. Nur durch Begreifen der Geschichte könne Gegenwart und Zukunft gestaltet werden, und wenn sich die nachwachsende Generation auf diese Weise mit der Vergangenheit auseinandersetze und miteinander darüber ins Gespräch komme, sei der Weg in eine Zukunft der Versöhnung, der Freiheit und des Friedens nicht weiter verstellt.
Weitergabe des Wandernagelkreuzes am Ginkgobaum
Zum dritten Mal wurde am Ginkgobaum, unweit des Großkreuzes für die Opfer des 23. Februar 1945, auf dem Hauptfriedhof das Pforzheimer Wandernagelkreuz an eine neue Gastfamilie weitergegeben. Der Ginkgobaum gilt als "lebendes Fossil", er ist eine der ältesten Baumarten der Welt und gilt als kraftspendend und lebensverlängernd, ein gutes Symbol für eine Gemeinschaft wie die des Nagelkreuzes, die sich der Arbeit für Versöhnung, Frieden und Bewahrung der Schöpfung verschrieben hat. Dieser Ginkgobaum ist eine Stiftung des englischen Kriegspiloten John Wynne als Zeichen der Hoffnung und Versöhnung.
Das Wandernagelkreuz, der mobile Zwilling des Nagelkreuzes in der Stadtkirche, wurde am 6. Februar von der Johannesgemeinde, die es ein Jahr lang beherbergt und auf viele Wirkungswege geschickt hatte, an den Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim übergeben als im Foyer des Rathauses sichtbares Zeichen, dass die Stadtverwaltung hinter den Bemühungen des Nagelkreuzzentrums um Frieden, Freiheit und Versöhnung in Stadt um Umland steht.
Ergänzt wurde das Nagelkreuz dort, platziert in einer Vitrine im Foyer, durch über dreißig Ausstellungstafeln zur Geschichte des Nagelkreuzes im Allgemeinen und seiner Bedeutung für Pforzheim im Besonderen, die entlang des langen Flures an die Fenster mit Gesicht zum Marktplatz und dem Riesenpuzzle montiert waren.
Der irische Literat und Theologe C. S. Lewis hat nach dem deutschen Angriff auf Coventry 1940 geschrieben: "Die Engel hielten den Atem an, um zu sehen, welchen Weg wir einschlagen würden". Dieser Weg des "Father Forgive" begann mit der Weitergabe des Wandernagelkreuzes an die ökumenische Region Pforzheim Nord mit den evangelischen Gemeinden Thomas, Markus, Eutingen und der katholischen St. Stephansgemeinde für ein weiteres Gastjahr.
Pfarrein Ruth Nakatenus übernimmt das Wandernagelkreuz stellvertretend für die ökumenische Region Pforzheim Nord aus den Händen von Roland Ganninger, Vertreter des Nagelkreuzzentrums Pforzheim.
Clara Gölz, vor zwei Jahren konfirmiert und seitdem im Nagelkreuzzentrum engagiert, verlas statt einer Predigt den Gebetstext, den sie schon im Rahmen der Pforzheimer Versöhnungsnacht im November des vorigen Jahres rezitiert hatte:
„Immer wieder wächst in uns eine Sehnsucht, eine Sehnsucht nach Frieden, nach Versöhnung.
Wir wissen um die Wunden unserer Geschichte. Vor 68 Jahren wurde Pforzheim durch Bomben gesprengt, durch Feuer verbrannt, und so die Innenstadt zerstört.
Pforzheim erlebte nun selbst, was in den Jahren zuvor durch deutsche Bomben in Warschau und Rotterdam, in Coventry und an vielen anderen Orten angerichtet worden war. Pforzheim erlebte selbst, was heute noch zu erleben ist in Syrien oder in Palästina, in Mali oder anderswo.
Bis heute spüren wir Streitigkeiten und Hass:
zwischen Staaten, Völkern und sozialen Gruppen,
zwischen Religionen und politischen Überzeugungen,
zwischen Generationen.
Wir haben eine Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung.
Als Mahnung, heute dafür einzutreten, dass Krieg, Rassismus und Gewalt überwunden werden, geben wir heute das Wandernagelkreuz weiter.
Als Ermutigung, sich der Sehnsucht nach Versöhnung anzuschließen, beten wir:
Gib uns Frieden, der da BRICHT UNSER SCHWEIGEN
inmitten von Gewalt, auf dass prophetische Stimmen erklingen.
Gib uns Frieden, der UNS HERUNTER HOLT
vom hohen Ross unseres Stolzes,
auf dass wir lernen, einander die Füße zu waschen.
Gib uns Frieden, der UNS BEFREIT
von Hass und Intoleranz, auf dass wir Gewehre gegen Gitarren tauschen und singen.
Gib uns Frieden, der da VERSCHLIESST
unsere Münder, wenn wir zu viel sprechen,
auf dass wir lernen, darauf zu hören und zu verstehen,
was die anderen sagen.
Gib uns Frieden, der UNS STÖRT
in unserer Apathie, auf dass wir gemeinsam im Sonnenschein tanzen.
Gib uns Frieden, der da ENTZÜNDET
unsere matten Herzen, auf dass wir Liebe und Gerechtigkeit leuchten
lassen. Amen.
Am Abend war das Wandernagelkreuz bereits zu Gast bei einer Jugendhandball-Veranstaltung in der Benckiser-Halle in Pforzheim, um Auswärtigen die Bedeutung des 23. Februar zu verdeutlichen. In der katholischen St. Josephsgemeinde in Eutingen wurde angesichts des originalen Nagelkreuzes der Stadtkirche in der Vorabendmesse die Geschichte und internationale ökumenische Bedeutung des Nagelkreuzes von Coventry aufgeblättert.